Eve soll besser sehen

Ein Ehepaar aus Emmendingen ermöglicht den Aufenthalt des Kindes für die zweite Operation.

EMMENDINGEN. Das hätte sich Ingrid Gibson-Ochs nicht träumen lassen, welche Konsequenz ihr Aufenthalt im Universitätsklinikum Freiburg im Juni 2012 haben sollte. Sie musste auf ihr Bett warten, das noch nicht frei war. So lernte sie das afrikanische Mädchen Eve Tarr kennen. Eve war blind zur Welt gekommen. Dank des Fördervereins Freunde der Universitäts-Augenklinik Freiburg, der die medizinischen Kosten übernahm, wurde sie im vergangenen Jahr operiert und lernte sehen. Nun soll eine weitere Operation das Sehvermögen des Kindes verbessern. Die neuerliche Reise zur Klinik ermöglicht das Emmendinger Ehepaar.

Die Frau aus Emmendingen und das Kind aus Liberia verstanden sich auf Anhieb. Als das Mädchen ein Spielzeug nicht mehr wiederfand, half ihr Ingrid Gibson-Ochs. Das Mädchen fragte auf Deutsch: „Spielst du mit mir?“ und wich fortan nicht mehr von ihrer Seite. Das Kind schlief sogar bei seiner Leih-Oma im Krankenbett. Nach der Entlassung hielt Ingrid Gibson-Ochs den Kontakt zu Eve, die 14 Monate mit ihrer Mutter Sarah in Lauchringen weilte, und lud beide mehrfach zu sich nach Emmendingen ein. Im Januar kehrten die Tarrs nach Liberia zurück. Jetzt, beim Treffen in Emmendingen, turnt Eve lebhaft, wie es sich für eine Vierjährige gehört, auf „Oma“ Ingrid herum und tobt mit deren Hausschuhen an den Füßen durchs Zimmer.

Die ersten drei Jahre auf dem Rücken der Mutter
Das war nicht immer so. Die ersten drei Jahre verbrachte das Kind auf dem Rücken der Mutter, festgeklammert wie ein Äffchen. Am Heiligen Abend 2008 ist Eve mit der sogenannten Peterschen Anomalie, einer angeborenen Hornhauttrübung, auf die Welt gekommen. Am selben Tag verschwand ihr Vater unter mysteriösen Umständen. Er sowie seine Brüder wurde Opfer der Unruhen infolge des liberianischen Bürgerkriegs. Die alleinerziehende Mutter, die noch drei ältere Söhne hat, ernährte ihre Familie im zentralliberianischen Bassaland durch den Anbau landwirtschaftlicher Produkte, die sie auf dem Markt verkaufte. Nur zu Hause konnte Eve auf den Boden gesetzt werden und kroch blind auf dem Fußboden herum. An Gehen oder Orientierung im Raum war nicht zu denken.

Charlesetta Nougbode-Williams von der Hilfsorganisation „Healthpage Liberia“ vermittelte das Kind an die Universitätsklinik nach Freiburg, wo man ihr mittels zweier Hornhauttransplantationen helfen konnte. Eve kann nun laufen und Farben erkennen. Bei der Abschlussuntersuchung im Januar wurde allerdings die Trübung einer Linse festgestellt.

Für Ingrid Gibson-Ochs begann nun, was sie einen Krimi nennt. Monatelang setzte sie sich mit ihrem Mann ein, stellte Bewilligungsanträge, nahm Kontakt zur deutschen Botschaft in Ghana auf und organisierte die Reise von Monrovia über Accra in Ghana nach Frankfurt. Manche Dokumente mussten dreimal ausgestellt (und bezahlt) werden. Irgendwann entfuhr es Ingrid Gibson-Ochs verzweifelt gegenüber dem Sachbearbeiter der Botschaft, Martin Thomas Stein: „Zum Donnerwetter, verstehen Sie mich nicht, ich will doch nur einem Kind helfen!“ Stein ermöglichte dann die termingerechte Abreise der Tarrs. Am 2. Mai wird Eve im Universitätsklinikum Freiburg operiert. Mit Hilfe einer künstliche Linse und einer Gleitsichtbrille soll sie dann eine Sehleistung von 50 Prozent auf einem Auge erhalten, was ihr Lesen und Schreiben ermöglichen würde. Eve und ihre Mutter Sarah sind dann bis Mitte Juni in Emmendingen, um die künstliche Linse in Eves Auge nicht durch den Druckabfall im Flugzeug zu gefährden.

Die finanziellen Vorleistungen für Reise und Aufenthalt hier übernahm das Ehepaar Ochs. Als Beweggrund nannten beide das Gefühl, dem Mädchen helfen zu müssen. „Wir verzichten auf unsere Urlaube und haben die Kosten von unserer Rente zusammengespart“, sagt Herbert Ochs. Er versucht, ein Spendenkonto für Eve einzurichten. „Wir sind dankbar für jede Hilfe“, sagte Ochs, der davon träumt, der intelligenten Eve, die gut Deutsch spricht, und ihren Brüdern eine Schulbildung in Liberia zu ermöglichen. Falls ein Teil der Kosten durch Spenden finanziert werden können, möchte Ochs gerne Sarah und Eve Tarr nach Hause begleiten.

Quelle: Eve soll besser sehen – Emmendingen – Badische Zeitung (badische-zeitung.de)

Text / Foto: Christiane Franz